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2025: Hamburger Schulen - Zu schön um wahr zu sein

16. März 2019
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Wie wir bereits letztes Jahr während der Schulferien berichteten, entschlossen sich unzählige Konzerne der Hansestadt Hamburg ihre Flächen zurück zuschenken und verzichteten zum Wohle der Hamburger Kinder auf ihre Bebauungsansprüche. Um die Schulreform 2020 schnellstmöglich zu realisieren, war es ihnen außerdem ein Anliegen, sich maßgeblich an den nötigen Abrissarbeiten zu beteiligen.

Auch der Hamburger Senat wollte sich angesichts dieser großzügigen Geste nicht lumpen lassen und zog sich flugs die Spendierhosen an.

Über die ganze Stadt verteilt wurden in Windeseile neue Schulen gebaut, bestehende Schulhöfe großzügig erweitert und begrünt. Indem die Hamburger Schulbehörde fortan die Klassen konsequent auf 10 Schüler pro 2 Lehrer begrenzt und innovative Lernkonzepte und Schulstrukturen auf das ganze Stadtgebiet ausweitet, setzt sie international hohe Standards.

Statt wie zuvor die Schüler unnötig mit Wissen voll zu stopfen von dem sie sich laut aktuellen Studien eh nur maximal 5% merken könnten, würden die Lerneinheiten auf einige Stunden pro Tag begrenzt und auf die biorhythmisch besonders günstige Zeit um 11 Uhr verlegt. Außerdem gebe es für alle Klassen täglich eine Stunde Sportunterricht. Der Rest der Zeit stehe für freies Spiel oder andere frei gewählte Betätigungen zur Verfügung. Auf diese Weise würden die Schüler sich ohnehin besser Wissen aneignen und es bleibe auch langfristig mehr hängen.

Die 10,3 Mio. Euro, die nach der Schulreform noch übrig waren, wurden in zusätzliche öffentliche Grünflächen und 3 Freibäder investiert, die seit Anfang des Jahres von den Bewohnern der Stadt mit großer Freude genutzt werden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Hamburger dank der Stadtbau- und Schulreform endlich mehr Freizeit haben. Denn seitdem die Mieten aufgrund der freigewordenen Flächen ins Bodenlose gesunken sind, muss niemand mehr unnötig viel arbeiten gehen.

Tatsächlich sanken die Mietpreise infolge der oben beschriebenen großzügigen Geste der Wirtschaftsunternehmen bis dato um über 80% und pendelten sich auf dem Niveau der 70er Jahre ein. Selbst viele Familien wissen nun auch am Monatsende nicht wohin mit all ihrem Geld. Deshalb sind viele der Hamburger Bürger dazu übergegangen ihr überschüssiges Geld an all die Menschen zu verschenken, die noch in überteuerten Städten leben, in denen nach wie vor das überkomme System des radikalen Marktkapitalismus herrscht. Doch auch diese Städte machen bereits Anstalten das Hamburger Erfolgsmodell schnellstmöglich zu übernehmen.

Beschwingt von dem Auftrieb in seiner eigenen Stadt und einer Welle von Mitgefühl für all jene, die noch nicht in den Genuss dieser neuen Lebensqualität kommen, streckte der Hamburger Schulsenator sogleich seine helfende Hand ins außerhamburgische Umland aus. Bei einer öffentlichen kooperativen Sitzung führender Politiker aus Hamburg und den angrenzenden Bundesländern bot der Schulsenator an, Schulleiter und Lehrer, die sich in anderen Bundesländern bewährt hätten, an Hamburger Schulen anzustellen und die Schulumstellung in den angrenzenden Regionen konstruktiv zu begleiten.

Anlass war unter anderem ein zuvor ausgestrahltes Fernsehinterview, das einen wahren Lovestorm an Solidaritätsbekundungen in den neuen Medien auslöste. Darin hatte der Leiter einer alternativen Schule vor den Toren von Hamburg vor laufender Kamera unter Tränen gestanden, dass er für den kommenden Jahrgang gerade einmal 3 der eingeplanten 15 Geschwisterkinder in die erste Klasse aufnehmen könne. Früher hätten die Hamburger ihm die Tür eingerannt, doch angesichts der paradiesischen Zustände im Hamburger Stadtgebiet seien nun einfach zu viele Familien wieder ins Stadtzentrum zurückgezogen. Eine derartige Umkehr der Stadt- und Schulplanung habe er beim besten Willen nicht voraussehen können. Es sei für ihn unerträglich, dass er nun, da endlich eine breite Zustimmung für all die Reformpläne herrsche, für die er sein Leben lang eingetreten sei, zahlreiche hoch motivierte Lehrer entlassen müsse. Aber gegen die exzellenten Zustände an den staatlichen Schulen in der Hansestadt komme er nicht mehr an.

Dieses menschliche Schicksal berührte natürlich auch den Hamburger Schulsenator. Er ließ es sich nicht nehmen, besagtem Schulleiter gleich am darauffolgenden Tag mit feierlichen Worten ein schriftliches Anstellungsangebot seines Schleswig-Holsteinischen Ministerkollegen zu überreichen. Was sich in Städtebau und Schulplanung gezeigt habe, das gelte ja auch für das ganze Leben: "Richtig schön ist der Aufschwung eben erst, wenn alle etwas davon haben."

fpa